Inbetriebnahme Kraftwerk Papieri

Trotz eines straffen Zeitplans und den mit der Corona-Pandemie einhergehenden Einschränkungen konnte die erste Etappe der großangelegten Kraftwerkserneuerung ohne nennenswerte Verzögerungen wunschgemäß umgesetzt werden. Dank der neuen doppeltregulierten Kaplan-Turbine von ANDRITZ Hydro steigern sich sowohl Wirkungsgrad als auch das durchschnittliche Regelarbeitsvermögen von vormals 3,3 auf rund 5 GWh/a erheblich.

1 KAPLAN­TURBINE STATT 5 FRANCIS­MASCHINEN
Im Rahmen der Vergabe auf Basis der Ausschreibung kam eine ganze Reihe von renommierten Branchenvertretern zum Zug. Bedingt durch die relativ geringe Fallhöhe von rund 7 m und einer maximalen Ausbauwassermenge von 13 m³/s – die zentralen Kraftwerksparameter blieben unverändert – ersetzt nun eine einzige Kaplan-Turbine in vertikaler Bauform das bislang installierte Maschinen-quintett. Gefertigt wurde die auf eine Engpassleistung von 820 kW ausgelegte Turbine vom Small Hydro-Weltmarktführer ANDRITZ Hydro. Sämtliche Stahlwasserbaukomponenten, konkret ein horizontaler Schutzrechen inklusive dazugehörigem Rechenreiniger sowie die entsprechenden Absperr- und Regulierorgane lieferte die in Baden-Württemberg ansässige Wiegert & Bähr Maschinenbau GmbH. Geschäftsführer Koch lässt nicht unerwähnt, dass er während des Projektvorfelds für die Auswahl der neuen Gewerke eine ganze Reihe von Referenzanlagen besichtigt hat. Beim elektro- und leittechnischen Equipment ging der Zuschlag an die international renommierte Schubert Elektroanlagen GmbH aus dem niederösterreichischen Ober-Grafendorf aus gutem Grund. „Bei meiner ‚Kraftwerks-Recherche‘ haben die Schubert-Lösungen hinsichtlich Qualität und Funktionalität einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Ausschlaggebend für die Auftragsvergabe war sicherlich auch das faire Preis-Leistungsverhältnis“, so Koch.

3 MM „LUFT“ BEI DER TURBINENMONTAGE
Prinzipiell setzte sich der Lieferumfang der E-Technikspezialisten für die Anlage Papieri aus der Kraftwerkssteuerung und der Generatorschaltanlage zusammen. Schubert-Projektleiter Benjamin Wagner sagt, dass die Projektdurchführung an einen straffen Zeitplan gekoppelt war. „Gleich nach der zu Jahesbeginn erhaltenen Auftragserteilung wurde mit dem Engineering der Generatorschaltanlage und der Erstellung der Stromlaufpläne begonnen, um den avisierten Liefertermin einhalten zu können.“ Wagner führt weiter aus, dass beim Design der Generatorschaltanlage auf eine zentrale funktionelle Eigenschaft des Generators der finnischen Marke Danfoss Bedacht genommen werden musste. Weil der Energiewandler auf Permanentmagnet-Technologie basiert und somit konstruktionsbedingt bei Überdrehzahl Spannungsspitzen von bis zu 2,3 kV erreicht, musste die Schaltanlage zum Schutz mit einem entsprechenden Mittelspannungs-Leistungsschalter ausgestattet werden. Laut Betreiber Koch fiel die Entscheidung zugunsten eines Permanentmagnet-Generators vor allem wegen des bekannt hohen Wirkungsgrads sowie den platzsparenden Abmessungen und seines äußerst geräuscharmen Betriebs. Da sich das Krafthaus in eine bestehende Gebäudestruktur einfügt, die von den Untermietern des Gewerbeparks genutzt wird, hatte die Minimierung von Schall und Vibrationen oberste Priorität.

Die Platzthematik stellte außerdem eine wichtige Rolle bei der großangelegten Revitalisierung dar. Sowohl das Gebäude als auch die fünf ausgedienten Turbinen stehen unter Denkmalschutz. Weil die alten Maschinen keinesfalls entfernt werden durften, musste für die neue Kaplan-Turbine eine geeignete Einbauposition neben dem Altbestand gefunden werden. Richtig knapp wurde es bei der Anlieferung der Turbine. Zwischen Raumdecke und Maschinengehäuse passte bei der Einbringung nur mehr ein ca. 3 mm breites Blatt eines Zollstocks. Dies bestätigt ANDRITZ Hydro-Projektmanager Hans Wolfhard: „Eine zentrale technische Herausforderung bestand während der Konstruktion und der Montage darin, die Turbine weitestgehend vormontiert auf die Baustelle zu transportieren. Die ausgelieferte Baugruppe bestand schließlich aus dem kompletten Leitapparat inklusive den Leitschaufeln, dem Stützschaufelring, dem oberen Leitapparatdeckel, dem Laufradmantel und der Turbinenwelle.“

LEITTECHNIK VON DEN PROFIS
Neben ihrer Hauptaufgabe – der vollautomatischen Regelung der Stromproduktion und aller damit in Verbindung stehenden Gewerke – wartet das Anlagen-Leitsystem von Schubert mit einer ganzen Reihe von zusätzlichen Features und Funktionen auf. Die Steuerung basiert auf dem zum weltweiten Industriestand zählenden SPS-Controller SIMATIC S7-1500, als Leitsystem kommt das ebenfalls von Siemens stammende WinCC zum Einsatz. Projektleiter Wagner sagt, dass die leittechnische Anbindung der sowohl mit elektrischen als auch mit hydraulischen Antrieben ausgeführten Rechenreinigungsmaschine durchaus eine Herausforderung darstellte. Die mit einem Zahnradantrieb bewegte Maschine ist in der Lage, den Reinigungsvorgang am Schutzrechen individuell anzupassen. Wenn ein Abschnitt des 11 m langen und 3 m hohen Rechens von einem sperrigen Hindernis blockiert wird, das von der Putzharke nicht eigenständig entfernt werden kann, wird dieser Sektor während der Blockade von der Maschine bewusst nicht bearbeitet.

Mitels automatischer Alarmierung wird das Betriebspersonal sofort nach Auftreten einer solchen Betriebsstörung informiert, um die notwendigen Maßnahmen zur Fehlerbehebung in die Wege leiten zu können. Wagner ergänzt, dass in die Anlagensteuerung des Kraftwerks Papieri eine äußerst nützliche Wartungsunterstützung implementiert wurde. Konkret wird der Betriebswart der Anlage davon in Kenntnis gesetzt, wenn einzelne Komponenten wie Hydraulikpumpen, Generator oder Leistungsschalter eine vordefinierte Anzahl an Betriebsstunden erreicht haben, die ein Wartungsintervall erforderlich machen. Komplettiert wurde der Schubert-Lieferumfang durch die Herstellung der Online-Anbindung, die eine komfortable Anlagenüberwachung aus der Ferne ermöglicht.

DIGITALISIERUNG IN DER PRAXIS
Die Montage der e-technischen Komponenten des rundum erneuerten Krafthauses Papieri startete schließlich im Juli. Schubert-Projektleiter Wagner gab schon vor dem Beginn der Inbetriebsetzungsphase ein positives Vorab-Fazit ab: „Die Kooperation mit allen am Umbau beteiligten Unternehmen und Personen hat sehr gut und wunschgemäß funktioniert, es war sehr angenehm, mit den Leuten zusammenzuarbeiten. Ich bin mir sicher, dass die Betreiber viel Freude an ihrer im Prinzip neuen Anlage und unserer modernen Steuerung haben werden.“ Alexander Schneeweis, seines Zeichens Leiter Technik und Produktion bei Schubert, fügt an, dass die Komplettsanierung des KW Papieri hinsichtlich Leistungssteigerung und Bedienkomfort einem Quantensprung gleichkommt. So verfügten zuvor nur zwei der alten Francis-Maschine über eine rudimentäre Pegelregelung, die restlichen Turbinen mussten in Abhängigkeit vom jeweiligen Wasserdargebot manuell zu- oder abgeschaltet werden. Dem Stand der Technik entsprechend sorgt das intelligente Schubert-Leitsystem nun für einen vollständig automatisierten und maximal effizienten Anlagenbetrieb. Schneeweis hält fest, dass der in der jüngeren Vergangenheit immer stärker um sich greifende Trend Richtung Automatisierung – auch bekannt als „Digitalisierung 4.0“– seit jeher eine zentrale Rolle im Schubert-Portfolio ein-nimmt: „Wir haben eine ganze Reihe von Lösungen im Angebot, die die Kriterien von „Digitalisierung 4.0“ erfüllen. Grundsätzlich sind wir in der Lage, eine Vielzahl von anlagenspezifischen Dingen zu regeln und zu überwachen, wenn dies kundenseitig gewünscht oder für notwendig erachtet wird. Beispielsweise können wir Unterstützung bei einem Cyber-Angriff leisten oder einen unerwünschten Zugriffsversuch nachverfolgen. In Sachen IT-Security haben wir sehr viele Pak-te im Haus, etwa Log Management, unsere sichere Datenschleuse via VPN oder Firewall as a Service bzw. Cloud-Backup as a Service, um einige davon zu nennen.“ Bei der zentralen Leitsystem-Applikationen verfolgt Schubert die Philosophie, dass die Steuerung stets im Mittelpunkt der Anlage stehen sollte und sämtliche zur Anlage gehörenden Gewerke darin integriert sind.

VERNETZTER WORKFLOW
Darüber hinaus sieht man es bei Schubert laut Schneeweis als sehr sinnvoll an, wenn sich die jeweiligen Gewerke auch untereinander digital austauschen können. Für die Optimierung des unternehmensinternen Workflows haben die Niederösterreicher eine eigene Wissensdatenbank entwickelt. Dieses „Schubert-Wikipedia“ dient den rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ober-Grafendorf als zentrale Informationsplattform über unterschiedliche aktuelle und vergangene Projekte und Themen. „Zurzeit arbeiten wir im Haus an der Digitalisierung unseres Engineerings. Gemeint ist damit, dass wir Pläne zukünftig nicht mehr ausdrucken, sondern in ein, vereinfacht gesagt, ‚intelligentes‘ PDF umwandeln. Damit können Kollegen aus verschiedenen Abteilungen den Status und den Fortschritt eines gemeinsamen Projekts in Echtzeit verfolgen und ohne Umwege direkt ihre eigenen Beiträge dazu leis-ten.“ Weit fortgeschritten ist man bei einem weiteren aktuellen Vorhaben, nämlich der Digitalisierung von Stromlaufplänen. Dabei geht es ebenfalls darum, die konkrete Umsetzung – vom anfänglichen Engineering bis hin zur finalen Montage – so kooperativ und uni-versell zugänglich wie möglich zu gestalten. Wie diese Anwendungsbeispiele aus der Praxis zeigen, ist die Thematik „Digitalisierung 4.0“ bei Schubert mehr als nur ein Schlagwort.

Text aus Beitrag_zek_Hydro_Ausgabe_August_2020

Nach der Inbetriebnahme folgt nun die zweite Etappe der Sanierung rund ums Kraftwerk Papieri. Lesen Sie hier mehr dazu.